Fachliche Hilfe – worauf es beim Polieren ankommt
Ich werde häufig mit Situationen konfrontiert, in denen sich schnell verändernde Markt- und Technologiebedingungen in seit Langem gut funktionierenden Produktionsstrukturen plötzlich bemerkbar machen – oder ein Unternehmen neu in den Markt für polierbedürftige Werkzeuge und Produkte einsteigt und dabei mit Herausforderungen konfrontiert wird, deren Existenz zuvor nicht bekannt war.
- Auch das Polieren muss geplant werden – dabei möchte ich hier Unterstützung geben.
Da das Polieren einer der zeitintensivsten Arbeitsschritte im Werkzeugbau ist, lohnt es sich für eine wirtschaftliche Umsetzung, die vorgelagerten Prozesse bereits in der Werkzeugkonstruktion zu optimieren.
Worauf sollte man achten?
- 1. Werkstoffauswahl
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Hier steht selbstverständlich zuerst die mechanische und chemische Anforderung an die Einsätze im Vordergrund – innerhalb dessen gibt es jedoch meist mehrere geeignete Optionen.
Aus Sicht des Polierens ist „gut polierbar“ nicht automatisch gleichbedeutend mit „schnell polierbar“. Bei hochwertigen Oberflächen (im Schnitt feiner als ~10 µm) darf der Materialpreis – auch wenn er relevant ist – nicht das primäre Kriterium sein.
Es ist empfehlenswert, den Werkstoff auch mit dem Hersteller abzustimmen und nicht nur anhand der Werkstoffnummer auszuwählen: Normen enthalten Toleranzbereiche, daher ist nicht jedes Schmelz-/Chargenfenster für jede Oberflächenanforderung gleichermaßen geeignet. Gerade bei feinen, hochglänzenden und anspruchsvollen Oberflächen kann das sonst zu unangenehmen Überraschungen führen. Nicht zuletzt ist relevant, ob ein Hersteller auf Werkstoffe für solche Anwendungen spezialisiert ist oder überwiegend für andere Industriesegmente produziert – selbst wenn die Werkstoffkennzeichnung identisch ist (oder beides im Portfolio vorhanden ist).
- 2. Art der maschinellen Vorbearbeitung
- Die Grundfrage ist die Wahl des Verfahrens – z. B. Drehen, Fräsen, Schleifen oder Funkenerosion (EDM). Innerhalb dieser Verfahren ist die passende Parametrierung ebenfalls entscheidend!
- Allgemeine, aber wesentliche Punkte: • Um eine Oberfläche ohne Bearbeitungsspuren zu erreichen, muss über die gesamte Fläche Material bis zur tiefsten maschinellen Spur abgetragen werden. Ist die tiefste Spur z. B. 0,1 mm tief, müssen auf der gesamten Fläche 0,1 mm mit deutlich feineren Werkzeugen als in der maschinellen Bearbeitung – also wesentlich zeitaufwändiger – entfernt werden. Je größer diese Materialmenge, desto gröber müssen die Werkzeuge (relativ betrachtet) zunächst sein; das Entfernen deren Spuren mit dem jeweils nächst-feineren Werkzeug kostet wieder mehr Zeit und erfordert mehrere solcher „Stufen“.
- Zu den einzelnen Technologien:
- • Drehen Beim Drehen ist bereits die Wahl der Wendeschneidplatte nicht zu unterschätzen: Eine höherwertige Platte kann eine so deutlich bessere Oberfläche liefern, dass sich der Mehrpreis durch weniger Polieraufwand amortisiert. Sinnvoll ist z. B., den finalen Schlichtschnitt mit einer separaten, ausschließlich dafür genutzten Platte zu fahren und diese nicht unnötig stark zu belasten. Ähnliches gilt für die Wahl des Vorschubs: Zusätzliche Maschinenzeit zahlt sich beim anschließenden Handpolieren aufgrund der oben genannten Effekte nahezu immer aus.
- • Fräsen Bei Nicht-Rotationsgeometrien ist Fräsen – wo konstruktiv möglich – aus Poliersicht eindeutig die beste Wahl. Moderne Maschinen und Präzisionsfräser können sehr feine Oberflächen erzeugen, die oft nahezu direkt polierfähig sind und damit ein oder mehrere Schleifschritte ersetzen, was erheblich Zeit spart. Beim Fräsen entstehen zudem vergleichsweise gleichmäßig tiefe und gut sichtbare Spuren – dadurch ist hier die Geometrie am zuverlässigsten zu halten.
- • Schleifen In den meisten Fällen ist Schleifen als Vorstufe nicht optimal: Obwohl die Oberfläche optisch oft sehr gleichmäßig wirkt, müsste für ein ausreichend feines Ausgangsniveau ein extrem feines Schleifmittel eingesetzt werden – das ist weder zeitlich noch wirtschaftlich attraktiv. Prozessbedingt erzeugt Schleifen Millionen sehr kleiner, im Querschnitt „langgezogener Dreiecks“-Riefen; zusätzlich schlagen sich abgelöste Partikel und Schleifkörner unvermeidlich ein. Deren Spuren sind nicht leicht zu entfernen – aufgrund der ungleichmäßigen und vergleichsweise großen Tiefe. Die allgemeinen Punkte oben gelten hier deshalb umso stärker.
- • Funkenerosion (EDM) Oft ist EDM unvermeidbar und kann auch die beste Wahl sein – gleichzeitig kann es die Polierbarkeit einer Oberfläche deutlich erschweren oder sogar faktisch unmöglich machen.
- Bei Flächen, die sich fräsen lassen, lohnt sich Funkenerosion in der Regel nicht! Grund dafür sind zum einen der hohe Zeitaufwand, um eine ausreichend feine Ausgangsoberfläche zu erreichen, zum anderen die Randzonenhärtung („Aufhärtung“) der Oberfläche durch EDM. Ein weiteres Grundproblem: EDM erzeugt sehr viele kleine Vertiefungen („Pits“) in variierender Tiefe. Eine perfekt polierte Oberfläche ist erst dann erreicht, wenn auch die letzte dieser Vertiefungen entfernt ist – was teils erst im nahezu fertigen Zustand sichtbar wird und dann erneute Nacharbeit erzwingen kann. Je gröber die Erosion, desto tiefer sind diese Vertiefungen.
- Für hochwertige Politur: maximal VDI 20 – besser VDI 16 oder feiner. Zusätzlich kann in schlecht spülbaren Bereichen die Gefahr von „Einbrand“ bestehen. Das kann sehr tiefe Krater verursachen, die u. U. zu Maßverschiebungen führen – im Extremfall wird das Bauteil dadurch Ausschuss.
- Wichtig: Wenn eine block-erodierte Fläche poliert werden soll, möglichst Kupferelektroden verwenden und deren Oberfläche mit Handmethoden (im Kern: Polieren) glätten. Werkzeugspuren, die auf der Elektrode bleiben, übertragen sich auf den Stahl – und sind dort erheblich aufwändiger zu entfernen. Dieser Effekt potenziert sich, wenn mit einer Elektrode mehrere Werkstücke gefertigt werden!
• Zusätzlich gilt: Je mehr Material so abgetragen werden muss und je größer die Fläche, desto schwieriger ist es, mit Handwerkzeugen überall exakt die gleiche Materialmenge abzunehmen – d. h. desto schwieriger wird es, Form, Geometrie und natürlich auch Maße sicher zu halten.
• Aus diesen Gründen lohnt es sich in den meisten Fällen, bei der maschinellen Oberflächenqualität „eine Stufe besser“ zu planen – damit lassen sich beim Polieren oft 30–50 % Zeit einsparen!
Bei der Drahterosion ist eine „Linie“ bzw. ein kleiner Absatz am Ein-/Austritt des Schnitts nahezu unvermeidbar. Das kann besonders bei Rotationsgeometrien und Bohrungen kritisch sein: Entweder muss die Linie durch Abtrag über die gesamte Fläche in Linientiefe entfernt werden – oder man schleift lokal nach und riskiert Ovalität.
- 3. Zugänglichkeit der Flächen
- • Für Polierflächen sollte in jedem Fall mindestens 45°, idealerweise 90° Sicht- und Zugriffswinkel eingeplant werden. • Damit ist nicht nur gemeint, dass „irgendein Werkzeug hineinpasst“!
• Da die Kontrolle beim Polieren wesentlich über das Sehen erfolgt, ist auch die direkte Sicht auf die Fläche entscheidend. Spiegelungen von strukturierten Flächen können die Kontrolle stark erschweren; im ungünstigen Fall wird die Beurteilung erst am Kunststoffteil möglich – dann muss man Nachpolieren einkalkulieren.
• Ebenfalls relevant ist, mit welchen Werkzeugen und aus welchem Winkel die Fläche bearbeitet werden kann: Das beeinflusst den möglichen Anpressdruck – und damit wieder Zeit und Preis.
• Bei Rotationsgeometrien ist es meist sinnvoll, den Einsatz selbst als Rotationskörper auszulegen, sodass er im Drehfutter gespannt werden kann.
• Eine gut gewählte Teilung oder ein zusätzlicher Einsatz (z. B. bei teilweisen Rotationsgeometrien, sofern mechanisch möglich) kann die Polierkosten sogar halbieren – analog zu den oben genannten Grundsätzen.
- 4. Timing Bei der Produktkonstruktion ist es nicht immer möglich, Polieraspekte bereits voll zu berücksichtigen. Spätestens bei der Werkzeugkonstruktion sollte man – auf Basis des Produktmodells – jedoch bewusst mitplanen und die Zugänglichkeit von Beginn an berücksichtigen.
- Eine genauere Kalkulation („Bepreisung“) des Polieraufwands ist anhand der Werkzeugmodelle und Zeichnungen möglich – genau aus den oben erläuterten Gründen, die die Bearbeitungszeit maßgeblich beeinflussen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, ob z. B. rohe Musterteile (vor der finalen Politur) benötigt werden oder ob es sinnvoll ist, die Politur in zwei Etappen durchzuführen: So kann die Musterphase abgesichert werden, ohne dass nach möglichen Änderungen die komplette Polierarbeit erneut anfällt.
- In Summe gehört Polieren immer zu den „letzten Handgriffen“. Hier kumulieren Verzögerungen aus den vorherigen Arbeitsschritten – gleichzeitig ist „Polieren unter Druck“ selten zielführend: Fehlerkorrekturen dauern wiederum lange, können im Extremfall sogar Neufertigung einzelner Einsätze nach sich ziehen. Das Risiko von Hektik ist daher an dieser Stelle am höchsten.
- Die Schönheit des Werkzeugbaus liegt in seiner Vielfalt: Jedes Werkzeug ist anders, jedes bringt neue Herausforderungen. Die beste Lösung entsteht in der Regel durch Zusammenarbeit – indem Wissen, Erfahrung und die Anforderungen der einzelnen Prozessschritte abgestimmt werden.